Microsoft Surface Book

(26.11.2015 18:00 CET)

Microsoft und überraschende Produktvorstellungen waren in der Vergangenheit nicht wirklich eine Welt. Zu „logisch“ waren die Produktentwicklungen, zu planbar deren Innovationen. Das hat sich geändert, seitdem Microsoft auch PC-Hardware produziert. Schon das erste Surface (RT)-Tablet war eine Überraschung, wenn auch keine wirtschaftlich erfolgreiche. Dann das Microsoft Band im Jahre 2014, was vollkommen aus dem Nichts auf den Markt kam. Das Paradestück aber hat sich Microsoft dann im Oktober 2015 mit dem Surface Book geleistet: Viele hatten mit einem Surface Tablet mit größerer Bildschirmdiagonale gerechnet, als Panos Panay, Corporate Vice President bei Microsoft, das Surface Book aus dem Hut zauberte, ein vollwertiges Notebook mit Touchscreen, aber – im Gegensatz zum Surface Pro – mit starrer Tastatur. Ein wahrer „One more thing…“-Moment ala Steve Jobs aber entstand, als er den Tablet von der Tastatur löste: Bis zu dem Zeitpunkt hatte wohl kaum jemand auf dem Schirm, dass sich Tablet (beim Surface Book „Notepad“ genannt) und die Tastatur teilen lassen würden...

Das Surface Book ist in den USA auf den Markt und war innerhalb kürzester Zeit in allen Modellen ausverkauft. Die Tests aber sind einhellig über die Maßen begeistert: doppelte, in manchen Tests teilweise gar dreifache Performance im Vergleich zu einem Macbook Pro, das ist schon eine Hausnummer. Dieser Test soll allerdings weniger die Performance (die zwischen i5 und i7 unterschiedliche sind und ebenfalls durch die bei den höheren Modellen verbaute dGPU noch verbessert wird) beleuchten als den Wert des Geräts in der täglichen Anwendung aus meiner ganz persönlichen Sicht.

Ich bin seit den Anfängen Anwender der Surface-Geräte: Vom Surface RT (als Ersatz für mein iPad), dem Surface Pro 2 bis hin zu meinem bis vor einigen Wochen aktuellen Surface Pro 3. Die Performance, die Portabilität, all das hat mich bisher überzeugt: Für die echte Arbeit stationär in der Dockingstation, für unterwegs mit dem Type Cover, die Flexibilität war für mich unerreicht. Der einzige Kritikpunkt aus meiner Sicht lässt sich in einem eigens geschaffenen Modewort zusammenfassen: „Lapability“. Die Surface-Tablets mit ihrem Kickstand, der das Aufstellen in verschiedenen Neigungswinkeln erlaubt, hat relativ wenig Stabilität, wenn man ihn im Schoß sitzen hat. Und genau hier setzt das Design des Surface Book an.

Ganz deutlich: Das Surface Book ist kein Tablet mit Tastatur-Dock, sondern ein Notebook, dessen Display zwischenzeitlich herausgenommen und als „Notebook“ verwendet werden kann (man beachte: eben nicht „Tablet“!). Was das bedeutet, muss man sich nochmal Stück für Stück erarbeiten: Im Display müssen alle relevanten Dinge für den Betrieb enthalten sein, also Display, Grafikkarte, SSD, Speicher, Touch Controller, Soundkarte etc. Das bedingt, dass dieser Teil relativ schwer ist, und potentiell ein Kippen des Surface Books nach hinten verursachen kann. Die geniale Lösung dafür: die so genannte „Fulcrum Hinge“, die dem Surface Book im zugeklappten Zustand seine charakteristische Form gibt. Sie dient als Scharnier, mit dem das Surface Book aufgeklappt und in verschiedenen Winkeln fixiert werden kann. Je weiter man es aber aufklappt, desto mehr verlängern die Elemente des Fulcrum Hinges die Basisfläche des Books und verlagern den Schwerpunkt weiter nach vorne, sorgen also für mehr Stabilität.

Dabei ist die Tastatur eine der besten, die ich bisher auf einem Notebook erleben durfte. Keinerlei Gewöhnungszeit, sehr knackig, aber trotzdem mit genug Federweg, dass das Tippgefühl noch bequem ist. Und die integrierte (und in der Helligkeit regelbare) Beleuchtung der Tasten tut ihr Übriges, um das Tippen auch in schlechten Lichtbedingungen unproblematisch zu machen. 

Die Zweiteilung des Gerätes hat einige Auswirkungen auf den Betrieb: USB-Ports, Mini-Display-Port, Stromanschluß, Speicherkartenslot und – bei den Modellen, die sie haben – die dGPU (also der Grafikprozessor) und der größere Teil des Akkus sitzen in der Basis. Das bedeutet also, dass sie für das Notepad im Einzelbetrieb nicht verfügbar sind. Und hier sollte man sich vor der Anschaffung einmal mehr SEHR genau überlegen, was die gewünschte Nutzung des Gerätes sein soll. Wer ein Tablet mit Tastatur sucht, der ist definitiv mit einem Surface Pro3 oder 4 deutlich besser bedient: Der Akku beispielsweise hält im Kombibetrieb mit Surfen, Office, Outlook, zwischen durch Video und Musik bei mir jetzt nach einigen Ladezyklen mehr als 10 Stunden. Großartig! Der Akku des Notepads alleine kommt gerade mal auf 2,5 bis 3 Stunden. Ausreichend, um mal eben ein Buch zu lesen, eine Präsentation zu halten oder Ähnliches, enttäuschend aber, wenn man eine dauernde Tablet-Nutzung anstrebt.

Auch der Speicher ist eine Herausforderung in diesem Modell: für eine 128 GB größere SSD fallen 200 USD an, während man eine 128GB micro SD mittlerweile für unter 50 USD bekommt (*). Das war meine Lösung: für Mediendateien und größere Dateien Platz schaffen. Mir war allerdings klar, dass dieser zusätzliche Speicher bei abgedocktem Notepad nicht zur Verfügung stehen würde, das muss man aber trotzdem berücksichtigen.

(*) Wer sich jetzt wundert, warum ich „micro SD“ schreibe: Der SD-Slot, den das Surface Book hat, ist kurz, eine eingelegte Karte steht einige Millimeter heraus. Die Lösung, um den Zusatzspeicher auch risikolos portabel zur Verfügung zu haben, hatte ich hier schon zusammengeschrieben.

Wer ein dGPU-Modell sein Eigen nennt, der muss auch auf dessen Unterstützung verzichten, wenn das Notebook autark eingesetzt wird.

Hat man sich an den Formfaktor und die Besonderheiten des Books gewöhnt, dann merkt man schnell, dass sich die Arbeitsweise anpasst: Ich bin eigentlich immer ein Tablet-Modus-Fan gewesen, auch wenn ich an meinen Surface Pros die Tastatur angesteckt hatte. Mit dem Surface Book nutze ich tatsächlich die Automatik, die beim Abdocken in den Tablet-Modus umschaltet und ansonsten immer den Desktop-Modus (in dem die Fenster wirkliche Fenster sind), und das funktioniert überraschend gut.

Ein Hingucker ist tatsächlich die gesamte Haptik des Gerätes. Vom Gehäuse, das komplett aus Magnesium besteht und edel matt, schwer und stabil wirkt, über das glänzende Microsoft-Logo im Deckel, das riesige Glas-Touchpad, die gerundeten Ecken, die Aussparung vor dem Touchpad, an dem das Gerät aufgeklappt werden kann, all das ist „Premium“. Wie allerdings auch der Preis: Ab USD 1499,- für das kleinste Modell (i5, keine dGPU, 8GB RAM, 128GB SSD) bis zu USD 3199,- für das Modell mit i7, dGPU, 16GB RAM und 1TB SSD muss man auf den Tisch legen, und legt man den aktuellen Dollar-Kurs und die Umsetzung der Dollar-Preise in Euro beim Surface Pro 4 zu Grunde, dann dürfte der Euro-Preis bei einer Einführung eher noch ein wenig höher liegen.

Ich habe lange überlegt, ob ich die USD 400 Aufpreis für die erste dGPU-Version (i5, 256GB SSD) investiere und mich dann zähneknirschend dagegen entschieden. Bis heute habe ich das noch nicht bereut. Im Vergleich zu meinem identisch ausgestatteten Surface Pro 3 mit gleichem Windows 10-Build (mit i5/128GB SSD) ist das Surface Book unter identischen Bedingungen überall im Vorteil : Vom Akku her (ich komme tatsächlich deutlich über 10 Stunden), vom Prozessor her (der Skylake-Prozessor der 6. Generation ist offensichtlich sowohl signifikant leistungsfähiger als auch stromsparender), und natürlich auch von der Auflösung her: Satte 3000*2000 Punkte löst es auf, ist kristallklar, kontrastreich und scharf.

Der große Vorteil des Surface Books (und da kommen wir zum Thema „Lapability“ zurück) ist tatsächlich die Tatsache, dass das Notepad bombenfest sitzt, weil es verriegelt ist. Erst der längere Druck auf die Entriegelungstaste auf der Tastatur löst die mechanische Sperre und erlaubt das Entnehmen des Notepads. Wird dieses wieder eingelegt, dann hört man das Klacken der Riegel und sieht auch eine visuelle Bestätigung auf dem Bildschirm. Eine perfektere Symbiose aus Tablet und Notebook ist kaum denkbar!

Was mich an Windows 10 bei geeigneten Geräten (und da gehört das Surface Book dazu) fasziniert: die Anmeldung via Windows Hello. Mittels einer speziellen Kamera kann der Benutzer erkannt werden, und zwar so schnell, dass man sich beim Sperren des Gerätes schon wegdrehen sollte, um nicht gleich wieder angemeldet zu werden. Und so genau, dass ein Foto definitiv nicht weiterhilft: Es muss der erfasste Anwender sein, sonst bleiben zur Anmeldung nur PIN oder Kennwort (die alternativ natürlich immer noch genommen werden können!).

Preis:

Ab USD 1499,-, aktuell nur im US Store von Microsoft. Eine Vermarktung in Europa ist aber sehr wahrscheinlich, und vermutlich sind die Preise dann leicht höher als die Dollarpreise, wenn man stattdessen das Euro-Symbol davor schreibt. Das aber ist Spekulation.

Fazit:

Ich habe noch kein Notebook mein Eigen genannt, dass mich von Anfang an und anhaltend so begeistert hat. Haptik, Akkulaufzeit, Performance, Flexibilität, all diese Faktoren machen für mich das Surface Book wirklich zu einer "Neudefinition des Notebooks" (wie Miicrosoft vollmundig erklärt hatte). Der Preis ist stolz, aber aus meiner Sicht absolut gerechtfertigt!

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